Gesetzliches Smartphoneverbot an Schulen?

Pädagogische Impulse zu einer komplexen Herausforderung

Im Frühjahr 2025 wird in der Politik zunehmend über gesetzliche Smartphone-Verbote an Schulen diskutiert. In ersten Bundesländern gibt es bereits entsprechende Initiativen. Schon zuvor war die Digitalisierung an Bildungseinrichtungen ein Bereich, der durch viel Unsicherheit geprägt war. Durch die aktuelle Debatte droht sich diese nun weiter zu verschärfen.

Wir haben diese Situation zum Anlass genommen, um auf der Edunautika 2025 über Smartphones in Schulen und Bildungseinrichtungen zu reflektieren und aus pädagogischer Perspektive Denkanstöße zu formulieren.

Aus unserer Perspektive gerät in der Debatte um Smartphoneverbote vieles durcheinander. Pauschale Aussagen und Verbotsforderungen ersetzen häufig die notwendige differenzierte Auseinandersetzung mit einem komplexen Thema, zu dem die konkrete Gerätenutzung ebenso gehört wie die Herausforderungen von Social-Media-Plattformen und der nötigen Veränderung von Lernkultur im Kontext des digitalen Wandels.

Unser Text ist daher ein Appell an die Politik und die Bildungswelt: Einfache Antworten sind keine Lösung für komplexe Herausforderungen. Stattdessen braucht es Bereitschaft und Offenheit, Digitalisierung als pädagogische Gestaltungsherausforderung zu begreifen und sie auch entsprechend anzugehen.

Fragen zur pädagogischen Reflexion

Wir formulieren im Folgenden sieben Fragen als pädagogische Impulse, die zur Diskussion an Schulen und anderen Bildungseinrichtungen anregen sollen. Sie können helfen, gemeinsam mit allen Beteiligten gute, demokratisch ausgehandelte Wege im Umgang mit Smartphones und digitalen Räumen zu finden.

  1. Wie können wir Lebensweltorientierung erreichen und warum ist das wichtig?

    Gutes Lernen braucht aktive Lernende und damit eine Orientierung an ihrer Lebenswelt. Der digitale Raum ist für viele Jugendliche ein selbstverständlicher Bestandteil ihres Lebens. Die dort gemachten Erfahrungen bieten Potenzial für Selbstwirksamkeit, Austausch, Identitätsbildung - und bergen zugleich Risiken wie Mobbing, Falschinformationen oder Suchtverhalten.

    Ein pauschales Smartphoneverbot mag Schulen kurzfristig entlasten, löst aber nicht die Probleme, denen Jugendliche in digitalen Räumen begegnen. Schule muss zur Reflexion und zur Entwicklung von Handlungsfähigkeit im digitalen Raum beitragen - genau wie im analogen Raum. Smartphones sind tägliche Begleiter. Diese Realität darf Schule nicht ausblenden, sondern aktiv gestalten.

  2. Wie können wir dem Second Digital Divide begegnen?

    Digitale Spaltung zeigt sich heute nicht mehr nur in der Geräteverfügbarkeit, sondern in der Art der Nutzung. Gerade benachteiligte Jugendliche nutzen Smartphones oft weniger reflexiv oder kreativ. Auf diese Weise droht die soziale Schere im Bildungsbereich weiter auseinanderzugehen.

    Schule steht vor der Herausforderung, Räume zu schaffen, in denen alle jungen Menschen digitale Kompetenzen erwerben können. Dazu braucht es Aufklärung, Begleitung und gemeinsam definierte Regeln, die den Bedarfen aller gerecht werden.

  3. Wie können wir Jugendliche ernst nehmen und ihnen nicht adultistisch begegnen?

    Erwachsene bringen oft andere Erfahrungen mit als Jugendliche, die aber nicht automatisch dominieren dürfen. Es braucht Zeit, gemeinsames Lernen und Austausch, zum Beispiel im Rahmen von Schulentwicklungstagen, um kontextgerechte Lösungen zu entwickeln.

    Auch die Bundesschülerkonferenz plädiert in diesem Sinne in ihrer Stellungnahme gegen ein gesetzlich reguliertes Smartphoneverbot.

  4. Wie können wir Bildung demokratisch gestalten?

    Schule wird von Jugendlichen oft als fremdbestimmt erlebt. Ein Smartphoneverbot verstärkt dieses Gefühl und nimmt Jugendlichen die Chance, sich aktiv mit Mediennutzung auseinanderzusetzen.

    Stattdessen sollte Schule ein Raum sein, in dem Demokratie gelebt und so auch gelernt wird: durch Aushandlung, Konsensfindung und gemeinsame Regeln. Diese können auch Smartphoneeinschränkungen beinhalten, aber sie müssen gemeinsam entwickelt werden.

  5. Wie können wir Smartphones als Kulturzugangsgeräte nutzen?

    Neben aller Kritik sind Smartphones auch Werkzeuge zur Recherche, Kommunikation, Dokumentation, Gestaltung und Veröffentlichung. Sie ermöglichen kulturelle Teilhabe, eröffnen neue Ausdrucksformen und verlagern Kulturproduktion in den Alltag. Auch Spiele - oft unterschätzt - haben pädagogisches Potenzial: Sie fördern Kreativität, Problemlösefähigkeiten, Perspektivwechsel. Ebenso sind Social Media Plattformen nicht nur ein Problem, wie es in der öffentlichen Debatte oft der Anschein erweckt wird, sondern für viele Jugendliche wie auch Erwachsene zugleich ein Raum für Vernetzung. Ausprobieren und Identitätsbildung. Schulen sollten all diese Potenziale sehen und nutzen statt zu ignorieren.

  6. Wie können wir Online-Räume für alle sicherer und lebenswerter machen?

    Der digitale Raum wird heute maßgeblich von Konzernen geprägt, deren Interessen selten dem Gemeinwohl dienen. Doch es gibt im Internet auch Räume für Selbstbestimmung, Kreativität und gegenseitige Unterstützung.

    Bildungseinrichtungen können helfen, diese Räume sichtbar zu machen und zu stärken - durch medienpädagogische Arbeit, kritische Digitalbildung und das Aufzeigen alternativer Wege. Auch politische Gestaltung ist hier gefragt: Der Online-Raum muss gestaltet und reguliert werden, damit er für alle ein besserer Ort wird.

  7. Wie können wir den Umgang mit Komplexität im digitalen Wandel lernen?

    Die Welt ist komplex und digitale Entwicklungen sind es auch. Wir brauchen daher einen klugen Umgang mit digitalen Technologien, nicht deren Verdrängung. Ein pauschales Smartphoneverbot löst keine Probleme. Es verschiebt sie in den privaten Raum und entzieht sie damit pädagogischer Begleitung. Pauschale Verbote an einer Stelle sorgen in den meisten Fällen zudem für einen exzessiven Gebrauch an anderer Stelle. Guter Umgang mit Smartphones muss aktiv gelernt und geübt werden - begleitet, reflektiert, kontextualisiert.

    Zu einem bewussten Umgang kann auch gehören, dass es Räume gibt in denen Smartphones bewusst nicht genutzt werden. Er kann aber nur entstehen, wenn es Kontext und die gemeinsame Entscheidung dazu gibt, nicht ein pauschales Verbot. Dieses würde Kinder und Jugendliche mit der Komplexität und Volatilität der Digitalisierung vollkommen allein lassen und nicht zu einem guten Umgang beitragen. Ein Umgang kann also nur erlernt werden, wenn wir uns als Gesellschaft aktiv damit auseinandersetzen, vor welchen Herausforderungen wir in diesen Bereichen stehen und wie wir sie gemeinsam lösen.

Unser Appell

An pädagogisch Verantwortliche: An politische Verantwortliche und Entscheidungsträger*innen im Bildungsbereich: